Wenn ein Krimi das Prädikat ‚psychologisch‘ verdient, dann dieser. Maggie Terry hat ihre Arbeit als Cop in New York geliebt, sie liebte ihre Freundin Frances und ihre gemeinsame Tochter, und sie liebte es, sich mit Alkohol und Drogen vollzuknallen. Sie hat viel Scheiße gebaut. Jetzt ist sie aus der Reha entlassen, bewohnt ein leeres Zimmer in einer Stadt voller Orte, Dinge und Menschen, die sie meiden muss – ein Leben auf Entzug, in dem die Treffen der Anonymen Alkoholiker*innen der einzige Anker sind. Mit einem Wohlwollen, das eine schon in die Flucht schlagen könnte, hat man ihr einen Job in einer Kanzlei für private Ermittlungen gegeben.
Maggie konnte noch nie anders, wo immer sie ist, analysiert sie die Fassadengestaltung der Menschen um sie herum. Sie bemerkt die kleinen Gesten von Dominanz und Missachtung, mit denen die neuen Kolleg*innen ihre Position in der Unternehmenshierarchie verteidigen, sieht, was Leute tun, um andere für sich einzunehmen. Die Wahrheit hinter den Bekenntnissen zu suchen, ist bei der Ermittlungsarbeit oft, aber nicht immer hilfreich. Für Maggie ist die Analyse der anderen auch der bevorzugte Weg, sich nicht mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Trüb ist ein Psychogramm von Abhängigkeit und Missbrauch in vielen Facetten, nicht zuletzt von väterlichem Missbrauch und therapeutischem Schindluder. Wie nahe das Subtile und das Grobe in psychischen Gewaltverhältnissen beieinanderliegen, bringt Schulman stilistisch virtuos zum Ausdruck.
Trüb ist überdies ein Psychogramm New Yorks im ersten Jahr der Trump-Regierung. Lange hat Sarah Schulman, New Yorker LGBT- und Act up-Aktivistin, Autorin, Filmemacherin und Professorin, keinen Kriminalroman mehr geschrieben. Dieser ist wieder ganz hohe Kunst.